Montag, 10. September 2012

Erstgestaltung Hainbuche "Carpinus betulus"

 Liebe Bonsaiverrückte,

an diesem Baum konnte ich nicht vorbeigehen, ohne ihn einzupacken - aus irgendeinem Grund faszinierte er mich. Ich nahm in hoch, drehte ihn, stellte ihn wieder ab, lief weiter, um mir andere Bäume anzugucken. Aber das unscheinbare Ding ging mir nicht aus dem Kopf. Also nahm ich ihn mit nach Hause.

Eigentlich wollte ich ihn bis zum Frühjahr unangetastet stehen lassen, aber es packte mich doch und ich holte das Werkzeug aus dem Keller:

Der Wurzelballen füllte das komplette Tongefäß aus, ein Zeichen dafür, dass der Baum bestimmt schon über 2 Jahre nicht umgetopft wurde. Also würde ein Drahten für den Baum keinen übermäßigen Stress bedeuten, da das Umtopfen lange genug her ist und die Wurzeln ihre Arbeit ohne Einschränkungen verrichten können.

Als erstes verschaffte ich mir einen genauen Überblick darüber, was machbar ist und was ich für die Erstgestaltung erreichen möchte.

Also schaute ich mit den Baum von allen Seiten nochmal genau an.
Interessant waren der Astaufbau, es ist alles vorhanden, was eine erfolgreiche Entwicklicklung möglich machen könnte. Äste verteilt an allen Seiten, Äste für die Tiefe, und bei der Spitze werden die Astabstände kleiner als bei den unteren. Wunderbar!
Kleine Probleme gibt es natürlich auch, so gibt es an der Spitze zu dicke Äste, so dass diese in der Zukunft umgestaltet werden müsste. Dies ist aber in ein bis zwei Sommern zu erledigen.



 Der Wurzelansatz kann mittels Abmoosen nächstes oder übernächstes Frühjahr bis in den Herbst hinein verbessert werden. Das hat bei der Zelkove gut geklappt, also wird das hier auch kein Problem werden.





Diesen Knick im untersten Ast finde ich sehr aufregend. Mittels Draht werde ich ihn aber noch bearbeiten, so dass er nicht so nach oben wächst, was den Verlauf natürlicher aussehen lässt. In der Natur sind die unteren Äste i.d.R. die schwersten, so dass sie sich nach unten biegen. Mal schauen ob ich das hinbekomme!







Bei diesem Bild sieht man schön den dichten Bewuchs. Eine Verjüngung ist noch nicht richtig vorhanden, zu erkennen ist rechts der dicke, nach oben verlaufende Abschluss des Baumes. Hier habe ich kleine Zweige entdeckt, die ich für die neue Verjüngung benötige und nutzen werde.







 Nun die Ansicht der anderen Seite. Das ist für eine Spitze viel zu massiv! Und es wirkt sich negativ auf die Silhouette des Baumes aus, da es aus der aufrechten Form herausragt und diese verlagert.










 Hier habe ich einen Zweig entdeckt, der mir für die neue Spitze geeignet erscheint.









Dort setze ich an! Der Entschluss ist gefasst!















Zack! Sieht jetzt schon besser aus.














So ist die Verjüngung wenigstens schonmal simuliert... Über die Jahre wird sie durch regelmäßiges Pinzieren feiner werden.

























Nun wird der werdende Bonsai ausgelichtet.
Ich schneide Äste so ab, dass ich Knospen stehen lasse, die ich nächstes Jahr in die Gestaltung einbringen will. Hier versuche ich also schon einzuplanen, wie das Wachstum nächstes Jahr werden wird.










 Ab ist ab!






Nun folgt das Drahten. Ich drahte von unten nach oben. Schön zu erkennen ist der abgeknickte Ast, dem ich ein wenig von der nach oben gerichtete Wuchsrichtung nehmen will. So etwas akribisch zu drahten ist schwierig, gerade für Anfänger wie mich. Also einfach machen. Ich hoffe, die Drahtstärke reicht aus.









Abenteuerlich, aber zweckmäßig.












Nun gebe ich dem Ast die gewollte Richtung, vorsichtig, Stück für Stück.


Die Biegung wird durch den Draht fixiert und gehalten. Der Druck auf den Ast ist groß, ich glaube aber, da im Herbst und Winter keine Wachstumphase ist, dass sich der Ast nicht verdickt und keine Druck- und Einwachsstellen entstehen. Im Frühjahr wird der Draht entfernt, und die Position sollte fix sein.








Ich benutze den Draht auch für den dünnen Zweig. Das ist nicht ganz so einfach, da der Ast bei falscher Technik brechen kann. Eigentlich nimmt man hier dünneren Draht. Da es sich hier aber beim Wickeln automatisch ergab, lass ich das erstmal so.









Damit das Ganze auch wirklich hält, wickle ich parallel noch zusätzlich Draht mit einem kleineren Durchmesser. Buchenäste sind sehr schwer zu biegen, merke ich gerade -auch bei kleinerem Durchmesser - also gehe ich auf Nummer sicher.








Den linken und rechten Ast habe ich verbunden, und den rechten auch doppelt gedrahtet. Ich möchte ihn nach unten biegen, so ist es auch bei alten Bäumen in der Natur zu beobachten.











Nicht hübsch der Draht, aber auf das Endergebnis kommt es an! Wenn er rechtzeitig weggenommen wird, sind keine Spuren mehr zu erkennen.









Das Drahten wird fortgeführt.
Draht parallel zu führen fordert Fingerspitzengefühl.
Das muss ich noch verfeinern :)















Das vorläufige Ergebnis. Den 2. Ast links habe ich an der Basis nach hinten gebogen, dann an der Spitze wieder nach vorne, um Tiefenwirkung zu erzeugen. Der nächste Ast rechts kommt ein wenig nach vorne, der Ast obendrüber sorgt für die weitere Tiefenwirkung.


















Ein Beispiel dafür, wofür eine Auslichtung auch gut sein kann, zeige ich hier. Das Blattwerk ist zur Anbringung eines Drahtes zu dicht.









Nun ist der Astverlauf klarer zu erkennen und es ist genug Platz, den Draht zu führen.





















Diese zwei Äste entspringen an einem Punkt, was als Nachteil ausgelegt werden kann.
Ich versuche, sie an der Basis näher aneinander zu bringen, und einen dann für die Tiefenwirkung und einen als seitlichen Ast zu benutzen. Das heißt, an der Basis werden sie zusammen geführt und an der Spitze wieder auseinander.


 
























Draht in allen Stärken sollte immer genug zur Verfügung stehen.













Das Ganze von oben betrachtet.


















Die Spitze ist, wie anfangs auch erwähnt, noch nicht ausgereift. Diese 2 Äste entspringen an einem Punkt und sind genauso Dick wie der erste Ast unten. Hier wurde der baum mal abgeschnitten, um die Höhe zu definieren. Die Astdicke sollte optimalerweise von unten nach oben abnehmen, wie es in der Natur bei älteren Bäumen auch zu beobachten ist.
Da es sich aber um Rohmaterial handelt, dass erst in 10 Jahren als Bonsai bezeichnet werden kann, habe ich genug Zeit, alles zu Verfeinern.










Die Spitze von vorne im Detail.
















Und ein wenig von der Seite. Ich habe die Spitze am Ende noch veändert, aber kein Photo mehr davon. Eigentlich muss sie noch kürzer werden.











Nun ist die vorläufige Gestaltung beendet. Nächstes Jahr werde ich die Verzweigung gezielt fördern und den Baum umtopfen, und auch die Wurzeln auflockern.




Ich bin gespannt, wie er sich entwickelt!

Ich habe heute per Zufall ein Bild entdeckt, wie ich das in Zukunft gerne ungefähr hinbekommen würde:


Ob das klappt?

Ich halte Euch auf dem Laufenden!

Viele Grüße

André

5 Kommentare:

  1. Hi André, für ein "vorläufiges" gestalten ist der baum sehr gut gelungen! wie wirst du mit dem untersten ast (der würde mich stören)und dem graden stammteil ab dem 3. ast von unten verbleiben?

    behalte deine motivation!
    grüße
    Sebastian

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    1. Hallo Sebastian,

      danke Dir fürs Lob, ich stimme Dir zu, daß der unterste Ast vom Verhältnis vom Wurzelansatz zum ersten Ast her eigentlich nicht notwendig ist. Ich könnte auch gut ohne in Leben. So bewusst war mir das aber bis eben nicht, guter Gedanke! Ausserdem ist er dünner als der rechte. Dann sollte der Ast drüber aber nicht so sehr nach hinten gehen, finde ich. Abnehmen ist aber immer schnell gemacht, erstmal lasse ich ihn dran, der frißt ja kein Brot. Das ist eh der schwächste Ast, also wird der nicht so schnell wachsen.

      Der Stammverlauf sollte ab dem 3. Ast, also in Höhe des "Futzelzweigs", noch ein bißchen nach links schwanken, und dann wieder im Lot zum Wuzelansatz zurück gehen, würde ich sagen. Schwer zu erklären. Das dürfte mit speziell fürs Bonsaigestalten entwickelten Schraubzwingen gehen. Die werden oben und unten am Stamm fixiert und dann innen in der Mitte mit einem Schraubmechanismus angedrückt bis sich´s biegt. Hab ich aber noch nie gemacht, der Stamm ist ja schon recht starr. Bevor er aber noch dicker und starrer wird, sollte ich dies bis vielleicht in 2 Jahren angehen.

      Danke für die konstruktive Kritik! :) So machts Spass!!

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  2. Hallo,
    da haben wir beide die gleichen gedanken(foto's können täuchen, ich weiß). mit der zwinge hab ich schon gearbeitet, das geht ganz sanft und millimeter für millimeter. wichtig ist nur die richtige größe der zwinge und etwas gedult. da kannst du dich über den winter hinweg noch schlau machen.

    alles gute
    sebastian

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    1. Hi,

      ich aktualisere gleich mal den Blog, ich habe heute zufällig einen Baum von ´99 entdeckt, in einer Bonsai Club Zeitschrift, der könnte meinem in der Zukunft recht ähnlich werden. Er ist aber ganz gerade, aber vom Grundprinzip, Aststellung und Grundform vergleichbar...

      Jetzt beobachte ich erstmal, wie er sich im Frühlung entwickelt... Dann entscheide ich weiter...

      Bis bald, André

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  3. Hallo lebt der Baum noch? gibt es Updates?

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