Sonntag, 5. Oktober 2014

Entwicklung Ficus microcarpa Semikaskade... oder zukünftig doch frei aufrecht?

Vom typischen S-Form Standardeinerlei zum vielversprechenden Ausgangsmaterial, die Geschichte vom hässlichen Entlein begann im fernen... Moment, ich schweife ab...

Vor mehr als einem Jahr, im Januar 2013, fing ich an, diesen vernachlässigten, älteren Burschen unter meine Fittiche zu nehmen. So wie es schien, war er ein gescheitertes Experiment, vielleicht ein Geburtstagsgeschenk oder ein Erstkauf mit falscher Pflegeanleitung, wenn überhaupt.... Befreit von seinem unwürdigen Dasein auf einer kaum beachteten Fensterbank, danach in der hintersten Ecke meines Lieblingspflanzenladens, fand er den Weg in meine Hand. Zufrieden über das Alter des Findlings - zu sehen an der rissig werdenden Rinde - begannen die Verhandlungen mit dem Händler über den Preis und das Ringen der Ideen für die Gestaltung, fast gleichzeitig. So sah das arme Ding aus, nachdem ich die ambulante Behandlung abgeschlossen hatte: Wurzelschnitt, neue Erde, andere Schale, Draht und so...



Ich gehe davon aus, dass er eine typische, wunderschöne S-Form hatte, als er seinen Weg vom fernen Taiwan, über Holland nach Deutschland, zum Erstbesitzer fand. Die Spitze war abgestorben, so war nur noch das Unterteil für mich übrig. Semikaskade war die Idee. Bot sich ja an. Gesagt getan. Der einzige Ast wurde gedrahtet, eine neue "Spitze" aufgebaut und der Rest wurde dem natürlichen Lauf der Dinge überlassen.




Eine interessante Bewegung hat das Kerlchen ja, die soll auch entsprechend betont werden. Ich tue mich immer schwer mit der Wahl der Vorderseite.

Aber alles zu seiner Zeit, jetzt war Erholung angesagt. Durchatmen. Genug Licht, weil Platz an der Sonne mit Blick auf direktem Himmel und wohltuendes Wasser aus dem nahegelegen Tümpel. Das ließ neue Kräfte erwachen, dazu später mehr.


  

Auch ein schöner Rücken kann entzücken. Nunja, ich will ja nicht übertreiben.

Mehr gibt es nicht zu sehen über den Urzustand der Feige. Zumindest nicht mehr, da ich noch andere Bilder hatte, die sich aber gedacht haben, im Nirvana meiner Daten verschwinden zu müssen. Schade zwar, aber weg ist weg, was soll´s.




Wichtiger ist, wie der Ficus heute aussieht - und ich war überrascht, als ich die Bilder oben wieder sah. So viel Wachstum in dieser Zeit, neue Äste, damit neue Spitze, glänzendes Laub...
Fiel mir so nicht auf, da ich das Wachstum täglich vor Augen habe. Wie mit Falten, man sieht erst wie die Zeit an einem nagt, wenn alte Bilder betrachtet werden. Schleichender Prozess. Doch nun wieder zum Baum.






Ich versuch´s mal ein wenig spannender zu machen, von oben nach unten, von links nach rechts.

Das ist die Spitze. man kann guten Gewissens behaupten, es hat sich einiges getan. Viel neues Grün, Äste, wo man sie braucht. Die Blätter sind sehr groß. Er wird schon wissen was er macht. Die werden schon noch kleiner, wenn die Verzweigung feiner wird.










Semi-Vogelperspektive.

Ich überlege gerade, ob das wirklich nur ein Jahr her ist, als ich anfing daran herum zu pfuschen. Schaut Euch den dicken - naja -  Ast auf der rechten Seite an. Er hat einen erheblichen Zuwachs bekommen. Sehr dominant. Vielleicht sollte ich Düngertechnisch ein wenig auf Diätprogramm umstellen.









Vielleicht ist das eine spezielle Sorte, gentechnisch verändert. Ich weiß, dass Feigen schnell wachsen,wenn sie richtig pflegt werden... aber so?

Habe auch einige Jungpflanzen und andere Retusas, um die ich mich kümmere, aber die schießen nicht so aus sich heraus. Als hätte er sich alle Kräfte aufgespart, um jetzt richtig loszulegen. Fast schon unheimlich.












Sieht aus dieser Perspektive recht konfus aus. Ist er ja auch. Warum habe ich den Ast so lang gelassen? Ich habe die Angewohnheit, sehr ungeduldig zu zupfen, das heißt, wenn der Austrieb ein Blatt lang ist, gleich ab mit der Spitze. Nicht so gut für die Verzweigung, ich weiß. Also versuch ich mal, ihn länger zu lassen und schaue, wie sich die Verzweigung entwickelt, wenn ich ihn länger lasse. Sind ja mehr Blattachseln da, müsste besser werden. Mal gucken.















Die Vorderseite. Zumindest ist sie das momentan. Nichts ist endgültig. Ich mag den intensiven Bogen am Stammansatz mit dem Übergang zum ersten Ast. Schöne Bewegung, die weiterhin vom Stamm mit einem Rechtsknick weitergeführt wird, um dann gleich wieder nach links... was erzähl ich da, seht ihr ja selbst. Mir gefällt´s.







Und nun, die obligatorische Vorderansicht.


Da kam mir eine Idee: Was wäre, wenn der rechte Ast einfach soweit gekürzt würde, dass aus der Semikaskade eine frei aufrechte Form entsteht? Das höbe die Stammform hervor und gäbe dem allgemeingültigen Motto "weniger ist mehr" erneut seine Daseinsberechtigung. Damit ihr wisst was gemeint ist: Ich habe da mal etwas vorbereitet:



Auch nicht übel, wahrscheinlich sogar besser? Glaube schon.

Solange ich nicht sicher bin, bleibt er so wie er ist, er wurde ja schon lange genug geärgert.

Was meint Ihr? So lassen oder auf frei aufrecht setzen?

Diesen Winter gebe ich mir und ihm noch Zeit. Vielleicht habt Ihr ja noch Ideen, die in eine ganz andere Richtung gehen. Lasst es mich wissen.





Zum Beispiel die Vorderseite zur Rückseite machen, oder ihn auf einen Felsen setzen,weiter nach rechts kippen, oder, oder, oder... Es bleibt spannend. Auf jeden Fall.

Ach so, auf meiner Google+ Seite Bonsai Online gibt´s mehr Bilder.

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Donnerstag, 28. August 2014

Umgestaltung einer Hainbuche (Carpinus turczaninowii)

Im Juni 2013 erstand ich diese koranische Hainbuche. Positiv fiel mir die Stammbewegung auf, das Alter des Stammes, der Wurzelansatz, die Astpositionierung und die Rindenstruktur erschienen mir gut genug, um eine Umgestaltung in Erwägung zu ziehen. Als er endlich eintraf, machte ich mich gleich an die Planung. So sah sie urspünglich aus:


Eigentlich ein schöner Baum, aber mir fielen auch gleich die Problemstellen auf, die durch Schnittfehler über Jahre entstanden waren. Vor allem die Spitze war vernachlässigt worden, so entstanden einige Verdickungen, die ich irgendwie weg bekommen wollte. Auch eine Verjüngung des Stammes war nicht wirklich vorhanden.




Das bedeutete, ich musste die Spitze komplett neu gestalten. Abschneiden. Dazu musste ein Ast, der bis jetzt waagrecht wuchs, zur Spitze umfunktioniert werden. Das ging nur Stück für Stück, da er sonst abgebrochen wäre. Im Ganzen hat es ein Jahr gedauert, ihn nach oben zu biegen.




Hier sieht man schon, wie leicht er einreißt. Wenn man nicht übertreibt, heilt das wieder vollständig zu. Da der Stamm über dem Ast komplett entfernt werden soll, nutzte ich ihn, um den Draht dort anzubringen, Schnittwunden wären also kein Problem. Ganz schön viel Zug war notwendig, damit er sich wenigstens ein wenig bewegte. Er musste direkt von der Astbasis an gebogen werden, damit ein schöner Übergang von Stamm und Ast entsteht. So war viel Kraft notwendig.






Nach circa einen halbem Jahr war der Ast dann fast soweit. Jeden Monat ein Stück höher. Ein Geduldsspiel. Jetzt konnte ich an der Aststruktur arbeiten. Auch hier hatten Schnittfehler dazu geführt, dass die Verzweigung ungenügend ausgeprägt war. Auch die Äste mussten somit fast von Grund auf neu gestaltet werden.












So sah ein Ast vor dem Schneiden aus. Sehr wirr und mit vielen unästhätischen Verzweigungen. Mir waren sie auch zu lang und eine Verjüngung war auch kaum vorhanden.











Chaos pur. So konnte ich das natürlich nicht lassen!










Das Ergebnis ist noch nicht optimal, immer noch zu lang, aber die Basis für eine feinere Verzweigung war geschaffen.












Das vorläufige Endergebnis. Die Äste sind neu definiert, die Spitze endlich nach oben gebracht. Den Stamm über dem neuen Haupt konnte ich noch nicht abschneiden, da ich sonst für den Draht keinen Haltepunkt mehr hätte. Jetzt habe ich eine klassische Aststruktur erhalten, links, rechts, hinten, links usw. Die Stammbewegung kommt viel besser zum Vorschein. Jetzt noch durch den Winter bringen, und im Sommer geht es mit der Gestaltung weiter.







Frühjahr 2014
Austrieb der verblieben Knospen. Langsam konnte ich erahnen, wie sich der Baum entwickeln würde. Durch die kleine Schale war es schwierig, den Baum ausreichend bewässert zu halten. Zu schnell trocknete das Substrat aus. Ich entschied mich für eine Größere, auch weil sich der Baum dann schneller entwickeln kann. Die Wurzeln waren auch sehr dicht, umtopfen war sowieso notwendig. Da er wenig Laub hatte, konnte ich das Risiko eingehen, nach dem Austrieb an den Wurzeln zu arbeiten.








Endlich blieb der damalige Ast in der gewünschten Position.
Nun konnte ich den Stamm entfernen und die neue Spitze drahten.













Leider war eine große Schnittwunde nicht zu verhindern. Ich hoffe, sie heilt einigermaßen zu. Eine japanische Hormonpaste sollte helfen, die Wundheilung zu beschleunigen.














So sieht der Baum heute aus. Jetzt hat er eine schöne Stammbewegung und Verjüngung, die Aststruktur ist in Ordnung, der Wurzelansatz gefällt mir auch. Von den radikalen Schnitten an den Ästen ist kaum noch etwas zu sehen. In den nächsten Jahren werde ich ihn weiter verfeinern. Vielleicht schafft er es sogar mal auf eine Ausstellung, wer weiß? Ich halte euch auf dem Laufenden..




Samstag, 5. April 2014

(Update) Ficus microcarpa, Wurzel über Fels

Heute zeige ich Euch den neuen Status meines Ficus (Lorbeerfeige) nach einer weiteren Gestaltungsphase. Der Baum wurde neu gedrahtet, da alle Triebe, wie von der Natur aus vorgesehen, nach oben wachsen und daher für die Bonsaigestaltung neu ausgerichtet werden sollten. Auch biegen sich vorgestaltete Äste, auch wenn sie zuerst stabil wirken, nach einer gewisser Zeit wieder nach oben (bzw. zur Lichtquelle hin), was nach und nach zu korrigieren ist. Nach einiger Zeit jedoch werden die Äste dort bleiben, wo sie hingedrahtet wurden. Das kann aber mehrere Jahre dauern.
Einige Gestalter lassen den Draht sogar ganz einwachsen, um eine stabilere Position zu erreichen, mir aber sind die Narben ein Dorn im Auge, so dass ich immer entdrahte sobald ich sehe, wenn die Äste in den Draht hinein zu wachsen beginnen.

Der Draht ist eigentlich zu dick für die dicke der Äste, ich hatte aber keinen anderen und habe daher vorsichtig diesen benutzt. Hier ging es mir darum, die Aststruktur aufzufächern. Beim Schneiden nicht benötigter Triebe achtete ich darauf, nur Knospen und Triebe übrigzulassen, die nach außen zeigen. So sollte man beim Kürzen der Zweige an dem Blatt abschneiden, dass nach außen zeigt, sodass sich der neue Trieb in die gewünschte Richtung entwickelt.



Noch einige Beispiele vor dem erneuten Drahten:













Und so sieht der Baum heute aus:


Und so früher:



Wie zu erkennen ist, habe ich seit der Grundgestaltung noch viele Äste entfernt. Auch die Spitze wurde anders aufgebaut als zuvor geplant. Sie ist nun definierter, da die erste Gestaltung den Eindruck erweckte, dass der Baum 2 Spitzen habe. Nun ist die Verjüngung auch besser gestaltet und sorgt für einen ausgeglichenen Gesamteindruck. Auch eine Dreiecksform konnte ich anstreben, die dem Baum, wie ich finde, sehr gut steht. Auch Tiefe hat er durch die hinteren Äste bekommen, insgesamt strahlt der Baum jetzt auch mehr Ruhe aus, das Auge kann dem Stammverlauf besser folgen und wird nicht durch überflüssige, zu wilde Strukturen abgelenkt.

Nun geht es darum, eine bessere Ausgeglichenheit der Äste zu erreichen. Links und beim ersten Ast hinten ist der Wuchs durch die dicksten, dominantesten Äste im Verhältnis zu den sehr dünnen und weniger wüchsigen zu stark. Also müssen diese Bereiche stärker zurückgeschnitten werden als die anderen. Das gehe ich in 2 Monaten an. Dann wird voraussichtlich ein Blattschnitt durchgeführt und der Baum umgetopft.

Die komplette Entwicklungsgeschichte könnt Ihr hier und hier nachvollziehen.

Viel Spass bei Euren eigenen Gestaltungen!

Hoffentlich bis bald.

André