Sonntag, 22. Juli 2012

Gestaltungsverfeinerung einer Bergkiefer (Pinus mugo)

Liebe Bonsaifreunde,

durch Glück bin ich an günstig an eine Bergkiefer gekommen (Pinus mugo) und ich möchte Euch zeigen, wie ich die Weitergestaltung angegangen bin und die Verfeinerung plane.

Kiefern sind einer der am schwierigsten und zeitaufwändigsten zu gestaltenden Bonsai, da auf jeden Ast und Zweig individuell eingegangen werden muss. Bei Laubbäumen ist es auch mal möglich, schnell die Silhouette durch „drumherum schneiden“ anzupassen. Nicht bei Kiefern:
Jede einzelne Kerze, der Austrieb der Kiefern, muss im Frühjahr einzeln bearbeitet werden um die Grundstruktur zu gestalten oder zu erhalten. Hierzu ist eine spezielle Technik, das Abdrehen, zu erlernen. Einen halben bis einen Zentimeter der Kerze sollte für eine feine Verzweigung am Zweig belassen werden. Die abzudrehende Stelle wird ein wenig geknickt und dann durch sachtes Drehen abgenommen. Ich benutze beide Hände dazu. Eine Hand zum Knicken und festhalten, eine zum Abdrehen. Das bedarf einiger Übung, um nicht die ganze Kerze abzunehmen. Ich konnte zum Glück an großen Gartenbonsai üben, die Gefühlte 20000 Kerzen hatten! Beschädigt man beim Abdrehen der Kerzen die Nadeln des Neuaustriebes, werden diese nach der Entwicklung unansehnlich braun. Lässt man zuviel Kerzenwachstum zu, stimmen die Internodien nicht mehr, sie werden zu lang. Dann ist auch ein Abdrehen nicht mehr ohne weiteres machbar, da die sich entfaltenden Nadeln das Abdrehen erschweren. Es ist hier aber noch möglich, mit der Scherenspitze Kürzungen vornehmen. 



Wird die Blüte an den Kerzen belassen, entwickeln sich nach dem Pollenabstoß keine Nadeln an der Stelle, ein unansehnliches kahles Stück ist die Folge:
Auch hier wird nur 0,5 – 1 cm stehen gelassen. Es ist deutlich zu erkennen, wie kahl die Kerze nach der Blütenbildung ist. Nur oben werden sich Nadeln entwickeln; für Bonsai ist dies nicht brauchbar.




Eine zu lange Kerze, links unten eine vorher korrekt gebrochene zum Vergleich:





Mit der Scherenspitze kann, entgegen anderer Behauptungen, generell auch gearbeitet werden, wenn keine neuen Nadeln mit abgeschnitten werden. Gerade bei lang gewachsenen Nadelbüscheln ist das zu empfehlen. Noch besser ist es, die Schere fast parallel zur Kerze zu führen, von oben zu kommen, zwischen und an den Nadelbüscheln vorbei.


Die fertige Kerze, an der Schnittstelle werden neue Knospen entstehen.



Bei Kiefern ist es nicht ohne Weiteres möglich, in alte Holz zurückzuschneiden - um Fehler zu korrigieren oder Teile neu zu gestalten - da sie wählerisch und unkontrolliert mit neuem Austrieb im alten Holz sind. Eine Methode, welche ich hier auch anwende, ist, Äste nach unten zu drahten, um weiter innen Neuaustrieb anzuregen. Biegt man zu weit und beeinflusst den Saftfluss zu arg, stirbt der Ast, biegt man zu wenig, scheitert die Rückknospung. Bei vielen apikal dominanten Spezies werden herunter gezogene Äste abgeworfen, da der Baum das Ziel hat, nach oben zu wachsen. Schneidet man einen Laubbaum ins alte Holz zurück, kann man den Austrieb bei gesunden Pflanzen fast mit Sicherheit erwarten. Kiefern sind da eigen. Es kann passieren, dass ganze Äste absterben, nur weil man die Spitzen eines Zweiges abgeschnitten oder die Kerzen komplett abgedreht hat.
Umgekehrt kann eine Zweigspitze zu viele Knospen an einer Stelle entwickeln. Dann muss entschieden werden, welche Knospen erhalten, welche abgedreht werden sollen. Dies kann man anhand des Winkels und der vertikalen Position bestimmen. Mehr als 2 Knospen werden selten benötigt. Man sollte wissen, in welche Richtung die Gestaltung gehen soll.
Hervorzuheben ist aber, dass eingerissene Äste oft durch energisches Zusammenbinden wieder Zusammenwachsen!

Ich möchte hier keinesfalls Angst vor Kiefern erzeugen, für mich sind es die interessantesten und schönsten Bonsai, obwohl sie so unscheinbar wirken oder noch nicht einmal „richtig“ Blühen. Es ist die Einfachheit, die ich an ihnen schätze. Der, hat man die Grundtechniken drauf, eigentlich geringe Pflegeaufwand und, verglichen mit anderen heimischen Bäumen, die Individualität, sei es das spezielle Wachstum durch die Kerzen oder die Tatsache, dass der Baum eine Symbiose mit Mikorrhyza eingehen muss, um zu überleben. Kiefern kommen an den extremsten Orten vor und schaffen es hier, Jahrhunderte zu überdauern.

Aber nun zurück zur Gestaltung:
Die Grundsubstanz dieses Baumes ist ganz gut, er hat viele Verzweigungen, einen dicken Stamm, dessen Rinde schon aufzureißen beginnt - und viele Äste, die alle an der richtigen Position sind. In Deutschland sind solch gute Kiefer-Ausgangsmaterialen wegen Seltenheit auf Grund des Einfuhrverbots recht teuer geworden.
Der Wurzelansatz ist verbesserungswürdig, aber ganz ok.
So habe ich den Baum übernommen:




Es ist zu erkennen, dass der Vorbesitzer nicht gedrahtet hat und sich nicht um das Auslichten der Nadeln und kürzen der Kerzen gekümmert hat. Dies führt immer dazu, dass die Äste zu lang werden und innen keine Knospen nachkommen, der Baum also innen verkahlt. Auch wachsen de Äste mit der Zeit natürlich immer nach oben.
Um eine Rückknospung anzuregen, möchte ich die Äste neu drahten nach unten biegen, damit sich in den Astgabeln neue Knospen bilden. Hierzu drahte ich den Baum vollständig durch, von unten nach oben. Ich zeige das Drahten nur am untersten Ast.

Der erste Draht ist angelegt.



Nun wird die untere Astgabel gedrahtet. Um Stabilität zu geben, wurden er erste und zweite Ast über dem Stamm zusammen gedrahtet. So bleibt der Draht auch da wo er soll und verrutscht nicht. Als nächstes wurde die untere Astgabelung gedrahtet:







Dann die nächste Astgabelung. Ich habe versucht, den Draht immer parallel ohne Überschneidungen anzulegen, damit keine unnötigen Druckpunkte entstehen, die ein Einwachsen beschleunigen würden. Das ist manchmal wirklich schwierig. Dies wird weitergeführt, bis der Ast bis in die Spitze durch gedrahtet ist.




Um bessere Stabilität zum Biegen zu bekommen, ist es ratsam zu überlegen, welche Äste verbunden werden können. Hier bieten sich gegenüberliegende Äste an, die aber auf anderen Ebenen liegen, so dass man eineinhalb mal um den Stamm gehen kann. Hier verbinde ich einen Ast in 2 Ebenen, die im Winkel von 90° zueinander stehen.




Ist ein Ast fertig, beginne ich, die Äste zu positionieren. Erst jetzt kann ich durch Probieren und sukzessivem Vorgehen entscheiden, wie die Äste in Stellung gebracht werden sollen. Sich das ohne Draht vorzustellen, ist für mich noch recht schwierig. Es kann auch passieren, dass ich jetzt erst überflüssige Äste oder Zweige entdecke, die ich je nach Lage und Drahtung entweder bis nächstes Jahr dran lasse oder doch noch wegnehme.




Die untersten Äste sind fertig, erstmal eine Pause machen...







¾ des Baumes sind am nächsten Tag nach langwieriger Arbeit geschafft.



So, jetzt fehlte nur noch die Spitze, dann ist es für das Erste vollbracht. Es folgen viele Detailaufnahmen des fertigen Baumes. Ich habe bewusst alle Äste dran gelassen, auch die, die Symmetrien erzeugen. Ein solcher Eingriff ist für den Baum Stress, es kann also sein, dass Äste absterben werden. Damit ich dann noch Gestaltungsmöglichkeiten habe, bleibt erstmal alles dran, bis die Rückknospung ersichtlich ist. Ich schätze, das sehe ich erst nächstes Jahr im Frühjahr. Dann erst wird die Vorderseite ausgewählt und danach Äste entfernt, eine neue Schale besorgt und ein kleiner Japaner auf einer Parkbank auf die Erde gesetzt. Kleiner Scherz am Rande :)























Ich hoffe es hat Euch Spass gemacht meinen Gestaltungsversuch zu verfolgen.

Bis zum nächsten Mal!

André











































































1 Kommentar:

  1. Super Bericht. War sehr interessant zu lesen und hat mir als Anfänger auch echt geholfen. Vielen Dank!

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