Liebe Bonsaifreunde,
durch Glück bin ich an günstig an
eine Bergkiefer gekommen (Pinus mugo) und ich möchte Euch zeigen,
wie ich die Weitergestaltung angegangen bin und die Verfeinerung
plane.
Kiefern sind einer der am schwierigsten
und zeitaufwändigsten zu gestaltenden Bonsai, da auf jeden Ast und
Zweig individuell eingegangen werden muss. Bei Laubbäumen ist es
auch mal möglich, schnell die Silhouette durch „drumherum
schneiden“ anzupassen. Nicht bei Kiefern:
Jede einzelne Kerze, der Austrieb der
Kiefern, muss im Frühjahr einzeln bearbeitet werden um die
Grundstruktur zu gestalten oder zu erhalten. Hierzu ist eine
spezielle Technik, das Abdrehen, zu erlernen. Einen halben bis
einen Zentimeter der Kerze sollte für eine feine Verzweigung am
Zweig belassen werden. Die abzudrehende Stelle wird ein wenig
geknickt und dann durch sachtes Drehen abgenommen. Ich benutze beide
Hände dazu. Eine Hand zum Knicken und festhalten, eine zum Abdrehen.
Das bedarf einiger Übung, um nicht die ganze Kerze abzunehmen. Ich
konnte zum Glück an großen Gartenbonsai üben, die Gefühlte 20000
Kerzen hatten! Beschädigt man beim Abdrehen der Kerzen die Nadeln
des Neuaustriebes, werden diese nach der Entwicklung unansehnlich
braun. Lässt man zuviel Kerzenwachstum zu, stimmen die Internodien
nicht mehr, sie werden zu lang. Dann ist auch ein Abdrehen nicht mehr
ohne weiteres machbar, da die sich entfaltenden Nadeln das Abdrehen
erschweren. Es ist hier aber noch möglich, mit der Scherenspitze
Kürzungen vornehmen.
Wird die Blüte an den Kerzen belassen,
entwickeln sich nach dem Pollenabstoß keine Nadeln an der Stelle,
ein unansehnliches kahles Stück ist die Folge:
Auch hier wird nur 0,5 – 1 cm stehen
gelassen. Es ist deutlich zu erkennen, wie kahl die Kerze nach der Blütenbildung
ist. Nur oben werden sich Nadeln entwickeln; für Bonsai ist dies
nicht brauchbar.
Eine zu lange Kerze, links unten eine
vorher korrekt gebrochene zum Vergleich:
Mit der Scherenspitze kann, entgegen
anderer Behauptungen, generell auch gearbeitet werden, wenn keine
neuen Nadeln mit abgeschnitten werden. Gerade bei lang gewachsenen
Nadelbüscheln ist das zu empfehlen. Noch besser ist es, die Schere
fast parallel zur Kerze zu führen, von oben zu kommen, zwischen und
an den Nadelbüscheln vorbei.
Die fertige Kerze, an der Schnittstelle
werden neue Knospen entstehen.
Bei Kiefern ist es nicht ohne Weiteres
möglich, in alte Holz zurückzuschneiden - um Fehler zu korrigieren
oder Teile neu zu gestalten - da sie wählerisch und unkontrolliert
mit neuem Austrieb im alten Holz sind. Eine Methode, welche ich hier auch anwende,
ist, Äste nach unten zu drahten, um weiter innen Neuaustrieb
anzuregen. Biegt man zu weit und beeinflusst den Saftfluss zu arg,
stirbt der Ast, biegt man zu wenig, scheitert die Rückknospung. Bei
vielen apikal dominanten Spezies werden herunter gezogene Äste
abgeworfen, da der Baum das Ziel hat, nach oben zu wachsen. Schneidet
man einen Laubbaum ins alte Holz zurück, kann man den Austrieb bei
gesunden Pflanzen fast mit Sicherheit erwarten. Kiefern sind da
eigen. Es kann passieren, dass ganze Äste absterben, nur weil man
die Spitzen eines Zweiges abgeschnitten oder die Kerzen komplett
abgedreht hat.
Umgekehrt kann eine Zweigspitze zu
viele Knospen an einer Stelle entwickeln. Dann muss entschieden
werden, welche Knospen erhalten, welche abgedreht werden sollen. Dies
kann man anhand des Winkels und der vertikalen Position bestimmen.
Mehr als 2 Knospen werden selten benötigt. Man sollte wissen, in
welche Richtung die Gestaltung gehen soll.
Hervorzuheben ist aber, dass eingerissene Äste oft durch energisches Zusammenbinden wieder Zusammenwachsen!
Hervorzuheben ist aber, dass eingerissene Äste oft durch energisches Zusammenbinden wieder Zusammenwachsen!
Ich möchte hier keinesfalls Angst vor
Kiefern erzeugen, für mich sind es die interessantesten und
schönsten Bonsai, obwohl sie so unscheinbar wirken oder noch nicht
einmal „richtig“ Blühen. Es ist die Einfachheit, die ich an
ihnen schätze. Der, hat man die Grundtechniken drauf, eigentlich
geringe Pflegeaufwand und, verglichen mit anderen heimischen Bäumen,
die Individualität, sei es das spezielle Wachstum durch die Kerzen
oder die Tatsache, dass der Baum eine Symbiose mit Mikorrhyza
eingehen muss, um zu überleben. Kiefern kommen an den extremsten
Orten vor und schaffen es hier, Jahrhunderte zu überdauern.
Aber nun zurück zur Gestaltung:
Die Grundsubstanz dieses Baumes ist
ganz gut, er hat viele Verzweigungen, einen dicken Stamm, dessen
Rinde schon aufzureißen beginnt - und viele Äste, die alle an der
richtigen Position sind. In Deutschland sind solch gute
Kiefer-Ausgangsmaterialen wegen Seltenheit auf Grund des
Einfuhrverbots recht teuer geworden.
Der Wurzelansatz ist
verbesserungswürdig, aber ganz ok.
So habe ich den Baum übernommen:
Es ist zu erkennen, dass der
Vorbesitzer nicht gedrahtet hat und sich nicht um das Auslichten der
Nadeln und kürzen der Kerzen gekümmert hat. Dies führt immer dazu,
dass die Äste zu lang werden und innen keine Knospen nachkommen, der
Baum also innen verkahlt. Auch wachsen de Äste mit der Zeit
natürlich immer nach oben.
Um eine Rückknospung anzuregen, möchte
ich die Äste neu drahten nach unten biegen, damit sich in den
Astgabeln neue Knospen bilden. Hierzu drahte ich den Baum vollständig
durch, von unten nach oben. Ich zeige das Drahten nur am untersten
Ast.
Der erste Draht ist angelegt.
Nun wird die untere Astgabel gedrahtet.
Um Stabilität zu geben, wurden er erste und zweite Ast über dem
Stamm zusammen gedrahtet. So bleibt der Draht auch da wo er soll und
verrutscht nicht. Als nächstes wurde die untere Astgabelung
gedrahtet:
Dann die nächste Astgabelung. Ich habe
versucht, den Draht immer parallel ohne Überschneidungen anzulegen,
damit keine unnötigen Druckpunkte entstehen, die ein Einwachsen
beschleunigen würden. Das ist manchmal wirklich schwierig. Dies wird
weitergeführt, bis der Ast bis in die Spitze durch gedrahtet ist.
Um bessere Stabilität zum Biegen zu
bekommen, ist es ratsam zu überlegen, welche Äste verbunden werden
können. Hier bieten sich gegenüberliegende Äste an, die aber auf
anderen Ebenen liegen, so dass man eineinhalb mal um den Stamm gehen
kann. Hier verbinde ich einen Ast in 2 Ebenen, die im Winkel von 90°
zueinander stehen.
Ist ein Ast fertig, beginne ich, die
Äste zu positionieren. Erst jetzt kann ich durch Probieren und
sukzessivem Vorgehen entscheiden, wie die Äste in Stellung gebracht
werden sollen. Sich das ohne Draht vorzustellen, ist für mich noch
recht schwierig. Es kann auch passieren, dass ich jetzt erst
überflüssige Äste oder Zweige entdecke, die ich je nach Lage und
Drahtung entweder bis nächstes Jahr dran lasse oder doch noch
wegnehme.
Die untersten Äste sind fertig,
erstmal eine Pause machen...
¾ des Baumes sind am nächsten
Tag nach langwieriger Arbeit geschafft.
So, jetzt fehlte nur noch die Spitze,
dann ist es für das Erste vollbracht. Es folgen viele
Detailaufnahmen des fertigen Baumes. Ich habe bewusst alle Äste dran
gelassen, auch die, die Symmetrien erzeugen. Ein solcher Eingriff ist
für den Baum Stress, es kann also sein, dass Äste absterben werden.
Damit ich dann noch Gestaltungsmöglichkeiten habe, bleibt erstmal
alles dran, bis die Rückknospung ersichtlich ist. Ich schätze, das
sehe ich erst nächstes Jahr im Frühjahr. Dann erst wird die
Vorderseite ausgewählt und danach Äste entfernt, eine neue Schale
besorgt und ein kleiner Japaner auf einer Parkbank auf die Erde
gesetzt. Kleiner Scherz am Rande :)
Ich hoffe es hat Euch Spass gemacht
meinen Gestaltungsversuch zu verfolgen.
Bis zum nächsten Mal!
André
Super Bericht. War sehr interessant zu lesen und hat mir als Anfänger auch echt geholfen. Vielen Dank!
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